18 Start-ups sind auf der CONTENTshift-Longlist: Worauf haben Sie bei der Beurteilung geachtet?
Wir haben uns erst einmal gefreut, dass es so viele Bewerbungen waren – das war super. Ich habe dann sehr genau geschaut: Ist das Konzept stimmig? Trägt die Idee? Gibt es eine Einzigartigkeit, aus der ein Wettbewerbsvorteil entstehen kann? Es war sehr spannend zu sehen, welche Ideen es für die Branche gibt, auch und gerade von branchenfremden Menschen. Es war noch nie so wichtig wie jetzt, die Scheuklappen abzunehmen und über den Tellerrand zu schauen. Das Rad der Digitalisierung dreht sich immer schneller – und wir haben noch nicht die richtigen Antworten.
Was sind denn Ihrer Meinung nach die Herausforderungen der Zukunft?
Ganz einfach: Der Tag hat 24 Stunden. Daran ändert sich nichts. An den Optionen, wie wir diese Zeit verbringen, schon. Früher gab es das Radio, Zeitung, Buch und Fernsehen. Wer sich mit einem Thema beschäftigte, kaufte ein Buch dazu, und zwar in der Buchhandlung. Die ungeschriebenen Gesetze unserer Verlags- und Buchbranche stammen noch aus jener Zeit – und viele ignorieren den grundlegenden Wandel des Marktes und der Gesellschaft noch immer.
Was heißt das genau?
Als wir vor acht Jahren readbox gründeten, sagte ein bekannter Verleger zu uns: „Mein Kunde ist der Handel. Der Leser ist mir egal.“ Und da wussten wir: Hier gibt es viel zu tun. Früher war es das Ziel, ein Buch im Buchhandel zu listen – ein B2C-Produkt wurde quasi als B2B-Produkt vermarktet. Aber es geht nicht mehr um das Thema Buch und Handel, wenn es um die Zukunft der Branche geht.
Worum geht es dann?
Die Optionen vervielfachen sich: Heute gibt es nicht nur Pokémon Go, Candy Crush Saga – oder eben einfach das Smartphone als Beschäftigungsoption. Wenn ich Informationen suche, google ich oder frage Siri. Repräsentative Studien belegen, dass wir durchschnittlich alle fünf Minuten aufs Smartphone schauen. Die Frage ist: Wie bringe ich bei derart begrenzten Aufmerksamkeitsspannen das Buch unter? Und selbst wenn ein Kunde sich für das Buch entscheidet – dann heißt das noch lange nicht, dass der Buchhandel oder ein Verlag daran verdient. Denn auch das Thema Self-Publishing spielt hier eine wichtige Rolle. Sie sehen: Es ist ein komplexes Thema und das E-Book kann ganz sicher nicht die einzige Antwort auf die Herausforderungen sein, die durch die Digitalisierung auf die Branche und die Gesellschaft zukommen. Deshalb ist ein Programm wie CONTENTshift so außerordentlich wichtig – es bringt Impulse in die Branche, die wir dringend brauchen.
Sie selbst haben vor 8 Jahren Ihr Unternehmen readbox gegründet. Die Herausforderungen der Start-up-Phase sind Ihnen sicher noch vertraut?
Ich tue mich etwas schwer mit dem Begriff „Start-up“: Wir sind aus der Start-up-Phase noch nicht raus und versuchen auch in vielerlei Hinsicht, Startup zu bleiben. Wir bewahren uns die Agilität, die ein Start-up immer braucht. Aber natürlich haben wir die notwenige Struktur, um professionell zu arbeiten. Wir bieten software- und technologiebasierte Lösungen und unterstützen unsere Kunden dabei, ihre Inhalte schneller, effizienter, kostengünstiger und marktorientierter herzustellen, zu vermarkten und zu verkaufen. Und wir entwickeln uns und unsere Lösungen immer weiter – das müssen wir tun, um Oberwasser zu behalten. Uns treffen ja die vielen Veränderungen genauso wie unsere Kunden, die Verlage. Wenn die geschüttelt werden, begeben wir uns mit ihnen in den Schleudergang.
Wie geht es bei CONTENTshift weiter?
Die Coaches arbeiten nun mit den Start-ups zusammen, die sich derzeit einer Team Challenge widmen. Als Juroren werden wir dann in der zweiten Beurteilungsrunde aktiv, in der wir wieder fünf Start-ups auswählen – die Finalisten von CONTENTshift 2016. Sie nehmen dann weiter an einem umfangreichen Programm teil. Wer gewinnt, entscheiden wir erst auf der Frankfurter Buchmesse im Oktober.
Was geben Sie den teilnehmenden Start-ups mit auf den Weg?
Dass unsere Branche offen ist für Austausch und Ratschläge – das weiß ich, weil ich es selbst erlebt habe. Zwar sollte man nicht jeden Ratschlag befolgen – aber genau zuhören sollte man immer. Mit CONTENTshift hat die Branche ihre Türen ganz weit geöffnet. Wenn die Idee trägt, sollte kein Start-up zu lange zögern.
Interview: Christiane Petersen